Grundlagen des impliziten Lernens

Der nachfolgende Text beschreibt theoretische Grundlagen des impliziten Lernens bezüglich sportlichen Handlungen, im Speziellen dem Snowboarden.

Täglich führen wir unzählig Handlungen aus, die zahlreiche Fertigkeiten verlangen. Das dafür benötigte Wissen ist im prozeduralen Gedächtnis abgespeichert. Bis ein Handlungsvollzug, wie beispielsweise Snowboardfahren gelernt ist, braucht es etwas Zeit (Woolfolk 2008). Sobald die Bewegungen jedoch einmal gelernt sind, bleibt dieser prozedurale Wissensbestand lange im Speicher, auch wenn zeitgleich erworbenes explizites Wissen bereits wieder verschwunden ist (Woolfolk 2008; Kibele 2003). Auch beim Erwerb von motorischen Fähigkeiten wurde traditionell angenommen, dass dafür eine kognitive Verarbeitung von verbalen Informationen  wie Instruktionen oder Feedback notwendig ist (Maxwell et al. 2001). Im Laufe der Zeit würden die verbalen Informationen wieder vergessen und die ausführungsbezogene Informationsverarbeitung laufe unbewusst ab (ebd.). Voraussetzung dafür sind Handlungsvollzugsregeln, die festlegen, was beim Eintreten bestimmter Bedingungen zu tun ist: Wenn das Snowboard beim Rutschen auf der Fersenkante zu schnell wird, dann mehr Druck auf die Fersenkante geben. Kennzeichnend für solche Handlungsvollzugsregeln ist, dass Menschen diese nicht aussprechen können oder nicht einmal wissen, dass sie nach solchen Regeln handeln, ihnen aber in ihren Handlungen folgen (Woolfolk 2008). Implizites Lernen ermöglicht demnach der Erwerb einer Fertigkeit ohne dazugehörige Erweiterung des verbalen Wissens über die Fähigkeit (Maxwell et al. 2001). Demzufolge ist es nicht nötig, dass in der Aneignungsphase einer Fertigkeit das erforderliche Wissen dafür bewusst repräsentiert sein sollte (Kibele 2003). In einem Experiment wurde die Lernleistung von Personen untersucht, schnellstmöglich einen Tastendruck auszuführen, sobald ein kleiner Stern am Bildschirm auftaucht, wobei die Darstellungsorte einer vorgegebenen 10-er-Sequenz folgten und mehrfach wiederholt wurden (Kibele 2003). Die Ergebnisse zeigten eine kontinuierliche Abnahme der Reaktionszeiten, ohne dass die Systematik der Darstellungsorte den Versuchspersonen (vollständig) bewusst wurde, noch konnten sie die Regeln beschreiben (ebd.). Diese Befunde legten den Schluss nahe, dass eine Verhaltensanpassung auch ohne bewusstes Erinnern möglich ist (ebd.). Um während dem Lernen motorischer Fähigkeiten das deklarative Gedächtnis möglichst von diesem Lernprozess zu entlasten, wurde in weiteren Experimenten den Lernenden eine anspruchsvolle zweite kognitive Aufgabe gestellt (Poolton et al. 2007). Die Lernenden waren nun nicht in der Lage, ihre angewendeten Techniken und Bewegungen der motorischen Aufgabe zu beschreiben (ebd.). Dieses parallele Ausführen einer motorischen und kognitiven Aufgabe scheint ein klares Indiz dafür zu sein, dass die motorische Aufgabe implizit ausgeführt wurde (Maxwell et al. 2001). Übertragen auf den Schneesport könnte dies beispielsweise bedeuten, dass jemand in der Lage sein muss, sicher zu fahren und gleichzeitig sein Umfeld im Blick zu haben, um Kollisionen zu vermeiden oder Hindernisse zu sehen, ohne jedoch erklären zu können, welche genauen Bewegungen ausgeführt wurden.

Speziell Einsteiger sind nach einigen Stunden üben physisch ermüdet und können nicht mehr die erforderliche Leistung erbringen, um möglichst sturzfrei weiter zu fahren. Poolton et al. (2007) untersuchten diesbezüglich, welchen Einfluss physische Anstrengung bzw. Mündigkeit auf die motorische Leistungsfähigkeit hat. Dazu untersuchten sie die Wurfleistung von Rugbyspielern, die implizit oder explizit eine Bewegung erlernen sollten. Dazwischen hatten sie physisch anstrengende Sprints auf dem Fahrradergometer auszuführen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Leistung der implizit lernenden Gruppe unter Müdigkeit keine Einbusse erlitt, während diejenigen der explizit lernenden Gruppe einen Leistungseinbruch erfuhren (Poolton et al. 2007). Als eine mögliche Erklärung dafür gaben sie an, dass die Müdigkeit das Arbeitsgedächtnis von der Kontrolle der motorischen Funktionen ablenkt hinsichtlich irrelevanten Tätigkeiten wie dem Nachdenken über die wahrgenommenen Beschwerden (Poolton et al. 2007). Im Gegensatz dazu sind implizit lernende Personen bei motorischen Leistungen primär von nicht-deklarativen Gedächtnisprozessen abhängig (ebd.). Auffallend war jedoch, dass in einem Retensionstest ein Jahr später beide Gruppen bei Müdigkeit keinen Leistungsabfall mehr zeigten. Es wurde angenommen, dass sich das deklarative Wissen der explizit lernenden Gruppe während dieses Jahres als implizites Wissen im Langzeitgedächtnis verfestigt hat und so bei einem Abruf das Arbeitsgedächtnis nicht mehr belastet (ebd.).

In sportlichen Aktivitäten müssen häufig in kurzer Zeit Entscheidungen getroffen werden, beispielsweise in welche Richtung man sich bewegen soll. Die Vorteile von implizit gegenüber explizit gelernten motorischen Fähigkeiten in Entscheidungssituationen wurden von Masters et al. (2008b) anhand eines Experiments mit Tischtennis untersucht. Es zeigte sich, dass Personen in der implizit lernenden Gruppe wiederum ihre Leistung in anspruchsvollen Entscheidungssituationen hochhalten konnten. Raab et al. (2009) kombinierten diese Ergebnisse mit denjenigen aus einer eigenen Untersuchung und kamen zum Schluss, dass es günstig ist, sowohl motorische Fähigkeiten wie auch die Entscheidungsfähigkeit implizit zu lernen, um maximalen Ertrag zu generieren.

Literatur:

  • Kibele, Armin (2003): Implizites Lernen. In: Heinz Mechling, Jörn Munzert und Klaus Blischke (Hg.): Handbuch Bewegungswissenschaft, Bewegungslehre. Schorndorf: Hofmann (Beiträge zur Lehre und Forschung im Sport, 141), S. 243–261.
  • Masters, R. S. W.; Poolton, J. M.; Maxwell, J. P.; Raab, M. (2008b): Implicit motor learning and complex decision making in time-constrained environments. In: Journal of motor behavior 40 (1), S. 71–79. DOI: 10.3200/JMBR.40.1.71-80.
  • Maxwell, J. P.; Masters, R. S.; Kerr, E.; Weedon, E. (2001): The implicit benefit of learning without errors. In: The Quarterly journal of experimental psychology. A, Human experimental psychology 54 (4), S. 1049–1068. DOI: 10.1080/713756014.
  • Poolton, J. M.; Masters, R. S. W.; Maxwell, J. P. (2007): Passing thoughts on the evolutionary stability of implicit motor behaviour: performance retention under physiological fatigue. In: Consciousness and cognition 16 (2), S. 456–468. DOI: 10.1016/j.concog.2006.06.008.
  • Raab, Markus; Masters, Rich S. W.; Maxwell, Jon; Arnold, Andre; Schlapkohl, Nele; Poolton, Jamie (2009): Discovery learning in sports: Implicit or explicit processes? In: International Journal of Sport and Exercise Psychology 7 (4), S. 413–430. DOI: 10.1080/1612197X.2009.9671917.
  • Woolfolk, Anita (2008): Pädagogische Psychologie. 10. Auflage. München: Pearson Studium (Ps psychologie).